Teesalon-Journal
Afternoon Tea
Königliche Mahlzeit zum kaiserlichen Getränk

Das Afternoon Tea wird von immer mehr gehobenen Hotels und Restaurants angeboten. Aus gutem Grund. Entstanden in der britischen Aristokratie des 19. Jahrhunderts und damit mit einer schönen nostalgisch-kolonialen Note versehen, bietet es dem Teegenießer das Beste, was die westliche Teekultur zu geben hat. Teesalon.com zeigt, worauf es für den perfekten Genuss ankommt.

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18. Oct. 2007


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Von Jürg Meier, Editor

Als Teetrinker wissen wir es schon lange: für Bescheidenheit gibt es keinen Grund. Die chinesischen Kaiser verlangten von ihren Untertanen die allerbesten Tees als Steuer, als Tribut. Diese Tees waren so rar und kostbar, dass die Kaiser diese bisweilen selber zubereiteten, was umgekehrt auch dem europäischen Adel nicht entging. Dieser hatte im 17., 18. und frühen 19. Jahrhundert eh das fast exklusive Recht, Tee zu genießen. Tee war in Europa dermaßen teuer, dass die Kosten für ein Pfund leicht dem Jahresgehalt eines Dieners entsprachen. Entsprechend wurde er in abschließbaren Teekisten verstaut, und es war die Herrschaft persönlich, die ihn zubereitete. Dies nicht zuletzt auch wegen des wertvollen Porzellans - ebenfalls aus China -, in dem er kredenzt wurde. Denn man wollte die perfekte Ästhetik und Eleganz; mit Tee wurde das Schöne zelebriert.

 

Die Kultur des Afternoon Teas entsteht

 

Aus diesem Geiste heraus entstand das Ritual des Afternoon Teas. Dieses wird allgemein Anna Maria, Gemahlin des 7. Herzogs von Bedford, zugeschrieben. In einem Brief an ihren Schwager schrieb sie im Jahre 1841, dass sie "mit Prinz Esterhazy und acht Damen um 5 Uhr abends auf Schloss Windsor Tee trank." Zwar gab es bereits zu Beginn des 19. Jhs. Berichte über gesellschaftliche Zusammenkünfte, bei denen Tee getrunken und Butterbrote verzehrt wurden. Aber man kann Anna Marias Brief durchaus als Startpunkt für die Kultur des Nachmittag-Tees als sozialen Akt bezeichnen, der sich später im Jahrhundert noch zu einer veritablen "Tea-Craze" auf der Insel entwickeln sollte.

Massiv sinkende Teepreise, nicht zuletzt wegen den neuen Anbaugebieten auf dem indischen Subkontinent, erlaubten es ab ca. 1870, dass alle Klassen und Schichten in den Genuss "ihres" Tees und zu ihrer Form der Teatime kamen. Diese hatte in der jeweiligen Form natürlich sehr spezifische Ausprägungen. Ein Überbleibsel aus jener Zeit sind die Begriffe Afternoon-, High- und Low-Tea, die heute oft in fast grotesker Weise falsch verwendet werden. So oder so, jedenfalls entwickelte sich das Vereinigte Königreich in jener Zeit endgültig zur teetrinkenden Nation.

Das Afternoon Tea selbst wurde über die Zeit immer öffentlicher. Während sich Anna Maria noch mehr oder minder versteckt mit ihren Freundinnen im privaten Boudoir traf, so lud Queen Victoria 40 Jahre später bereits zum "Drawing Room Tea" im Buckingham Palace. Zumindest der weibliche Teil der Aristokratie hatte in jener Epoche täglich mindestens einen Teeanlass am Nachmittag zu besuchen oder lud dazu ein. Im ausgehenden 19. und jungen 20. Jahrhundert boten dann auch mehr und mehr vornehme Hotels Afternoon Teas an, welche dabei das Essensangebot kontinuierlich verfeinerten. Denn selbst bei der Queen hatte man noch ganz zufrieden Butterbrote geschmiert.

 

Afternoon Tea heute: schönes Ambiente, ein Meer von Geschmacksnoten und gute Freunde

Gerade aber das kulinarische Angebot ist es, was uns heute dazu bringt, Afternoon Teas praktisch nur noch in Hotels und Restaurants zu genießen. Denn neben dem guten Tee gehört eine Vielzahl von kleinen Häppchen in allen möglichen Geschmacksrichtungen zum Erlebnis. Diese selber zuzubereiten ist sehr aufwendig.

Zum klassischen Afternoon Tea, so lautet die Vorgabe aus London, gehört ein dreistöckiges Silbertablett, welches sog. Finger-Sandwiches, Feingebäck und Scones (ein einfaches Hefegebäck) enthält. Scones werden - das Butterbrot lässt grüßen - mit einer sehr festen Sahne ("clotted cream") und Erdbeermarmelade bestrichen. Und Hotels, die etwas auf sich geben, stellen die Marmalade wie alles andere selber her. Beim Feingebäck haben sich ebenfalls englische Spezialitäten wie Cake mit gedörrten Trauben und sehr buttrige Kekse als Basis etabliert; die Köche spielen hier aber oft mit den großen Möglichkeiten des Feingebäcks, und ergänzen hauseigene Spezialitäten, was sehr zu begrüßen ist. Dies kann von den Sandwiches leider nicht gesagt werden. Hier scheinen die Schinken-, Lachs-, Gurken- und Eier-Sandwiches die hochheilige Norm zu sein. Schade, denn auch bei den Sandwiches gäbe es eine sehr große Vielfalt zu genießen.

Beim Tee selbst gibt es gewaltige Unterschiede. Einige Orte bieten bedauernswerterweise Beuteltee an; sie kompromittieren damit sowohl die geschmackliche Vielfalt als auch das ästhetische Erlebnis. Glücklicherweise wird aber die Zahl der Offentee-Ausschenker immer größer, und einige Orte bieten absolute Spitzenqualitäten an. Denn die Gaumenerfahrung wird schlicht perfekt, wenn sich zu den köstlichen Häppchen mit ihren vielfältigen Geschmacksnoten noch ein komplexer Tee hinzugesellt. Interessanterweise sind aber, anders als beim Wein, Teekellner erst in absoluten Spitzenhäusern anzutreffen, welche den Gästen den "richtigen" Tee empfehlen können.

Gerade vielsternige Hotels zeichnen sich im übrigen in der Regel auch durch ein Ambiente aus, das zum Afternoon Tea wunderbar passt. Es ist das Spannungsfeld des Tees selbst - er vermittelt einerseits Ruhe, andererseits regt er an - welches sich in einem schönen Teeraum widerspiegelt. Dieser zeichnet sich durch eine Ästhetik in Architektur und Einrichtung aus, oft ergänzt mit natürlichen Elementen wie Pflanzen oder Feuer. Oder man wechselt direkt in einen schönen Garten, so wie dies der Maler Claude Monet getan hat, in dessen Tagesablauf stets auch eine Teatime gehört hat. Entscheidend für das ästhetische Erlebnis ist auch das Geschirr. Dabei ist möglichst feinwandiges Porzellan zu bevorzugen. Oftmals müsssen aber die Teesalons Kompromisse beim Geschirr ziehen, und ästhetische und praktische Aspekte gegeneinander abwägen.

Stimmen der Raum, das kulinarische und das Tee-Angebot, so steht einer guten Konversation mit Freunden nichts mehr im Wege. Denn wie wir alle wissen, ist der Geist des Tees ein großartiger Kommunikator. Und wir Teegenießer kommen zu unserem perfekten Tee-Erlebnis.


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