Teesalon-Journal
Teehauptstädte
Brief aus San Francisco (1)
San Francisco wurde - zumal mit dem weltweit grössten China-Town ausgestattet - zu einer Nahtstelle zwischen Ost und West, und damit auch zu einer der interessantesten Städte für Teeliebhaber.

Von Jürg Meier, Editor

07. Jun. 2008


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Sehr geehrte Leser,

Schaute ich heute nachmittag durch mein Fenster hier am Russian Hill in San Francisco, so erschien mir die Aussicht wie ein Gemälde von James McNeill Whistler; Himmel, Meer und Land zauberten eine Komposition feinster Grautöne auf die gedachte Leinwand, um sich dann in der Dämmerung in einen John Singer Sargent zu verwandeln, wo Leuchtkäfer die "Contra Costa" erhellen, so wie wir immer noch die andere Seite der Bay nennen. Und jetzt schliesslich bietet sich mir eine romantische Mondscheinszene, welche von Joseph Wright oder einem dieser legendären aber unbekannten Schweizer Landschaftsmaler stammen könnte.

Noch vor acht Wochen hingen die Teeblätter in meiner Tasse an einem Strauch in Taiwan, zu mir fanden sie durch meine Freunde beim Tee-Importeur "Red Blossom Tea", keine zehn Blocks von meinem Haus weg. Ein Traum.

Kürzlich lud auch meine Freundin von Teance auf der anderen Seite der Bay, in Berkeley, zum Erntedankfest ein, denn sie kam gerade wieder einmal aus China und Taiwan zurück, und brachte natürlich hervorragende Tees im Gepäck mit, so etwa vom weltbesten Lushan Yunwu oder auch vom Wenshan BaoZhong.

Auch mein eigener Meister, Roy Fong vom berühmten Imperial Tea Court, weilte im Reich der Mitte. Dieses Jahr köderte er mich mit Berichten vom allerbesten Lotus Heart Long Jing seit Jahren. So eine Ankündigung ist sehr ernst zu nehmen, denn in Sachen Long Jing ist Roy Meister aller Kategorien!

Und natürlich habe ich auch schon meine mir zustehende Ladung Darjeeling von Rajah Banerjee vom Garten Makaibari eingetrieben! Es ist ein First Flush mit der Los-Nummer DJ18/08. Und ich kann nur sagen: lasst uns an dieser Stelle der biodynamischen Produktion und ihrem Wegbereiter Rajah huldigen!

Und so ist es dann: wenn die Frühlingstage länger und länger werden über der Frisco-Bay, dann wird das Leben für uns Teeliebhaber erst richtig gut!

Nun muss ich aber eingestehen, dass für den Moment diese paar wenigen Abschnitte reichen müssen, um den werten Leser von grossen Düften und Geschmäckern träumen zu lassen. Denn ich bin eigentlich bereits unterwegs - nach Las Vegas, wo die World Tea Expo staffindet, und sich - fast unglaublich! - 6000 unserer Teefreunde aus der ganzen Welt treffen werden. Dort werde ich Richter in einer Jury eines vielleicht etwas dubiosen Wettbewerbs sein, nämlich der ersten "World Tea Competition". Klar werde ich in meinem nächsten Brief mehr darüber berichten.

Diesen schreibe ich nach meiner Rückkehr, und er wird natürlich dem Teesommer hier in San Francisco gewidmet sein. Unsere Sommer hier können ja bekanntlich wie "Alaska in Longjohns" sein; das ist leider unübersetzbar, will aber heissen, erbarmungslos kalt!

Yours in tea,
James Norwood Pratt


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